Doppelhaushalt 2023/2024

Mit den Stimmen unserer Fraktion wurde in der 36.Sitzung des Stadtrates Pirna (Sondersitzung) die Haushaltsatzung einschließlich Haushaltplan 2023/2024 der Großen Kreisstadt Pirna beschlossen
Wir stellen hier den Redebeitrag, gewohnt sachlich, konstruktiv aber kritisch mit der dringend gebotenen Aufgabenkritik, unseres Fraktionsvorsitzenden, Bodo Herath, zur Verfügung:

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Stadtratskollegen,

lassen Sie mich später darauf eingehen, ob wir diesem Haushalt zustimmen oder nicht.
Zuvor gibt es einige Bemerkungen, die ich Ihnen und uns aus gutem Grund nicht ersparen möchte. Haushaltberatungen sind immer Gelegenheit für Generalaussprachen. Ich komme deshalb nicht umhin, ein Stück über den Tellerrand Pirnas, aber ganz im Sinne der notwendigen Aufgabenkritik, hinauszuschauen.

Denn das, was da in Dresden, Berlin und natürlich auch Brüssel entschieden, zu oft auch nicht entschieden wird, wirkt bis auf unsere kommunale Ebene durch. Zum überwiegenden Teil inzwischen äußerst unangenehm. Unangenehm deshalb, weil die Folgen für uns zumeist teuer ausfallen. Sehr teuer!

Zum anderen, weil wir viel zu wenig Einfluss auf diese Entscheidungen haben, uns gegen sie kaum wehren können und die wenigen Möglichkeiten, die wir hätten, aber verschlafen.

Letzteres mag auch daran liegen, dass lupenreine Parteipolitik
mitunter bis in den Stadtrat und seine Entscheidungen durchschlägt.
Gemeinsame Erklärungen zur wirtschaftsfeindlichen Energiepolitik der Bundesregierung oder jüngst der Anlauf, sich zu milliardenschweren Waffenlieferungen an die Ukraine zu positionieren, verlaufen so sang- und klanglos im Sand, nachdem sie zuvor bis zur Unkenntlichkeit verwässert wurden.

Vom Oberbürgermeister selbst sind – anders als aus starken Rathäusern anderer deutscher Städte – so gut wie nie klare Worte mit politischem Widerhall zu vernehmen.
Vom Oberbürgermeister einer Stadt, die sich gerade mit reichlich Eigenlob über die magische 40.000-Einwohner-Grenze „geflüchtlingt“ hat, sollte man das aber erwarten dürfen.

Womit wir schon beim Punkt wären:
Anders als die aufgesattelten Belastungen durch den erweiterten Wohngeldanspruch, ist eine neue Pflichtaufgabe gerade noch einmal an uns vorbeigerauscht. „Sachsen-Koalition plant mehr Rechte für Migranten“ hieß es kürzlich in der SZ.
Integration sollte zur kommunalen Pflichtaufgabe werden.
Das ist jetzt erstmal vom Tisch. Kommunale Beiräte mit ausschließlich migrantischer Besetzung, bis zu 200 Personen stark, dagegen nicht. Aus dem Rathaus kein Wort dazu – vermutlich aus Angst vor dem Echo der zahlreichen Vereine auf der Langen Straße, denen dieses Thema die Daseinsberechtigung liefert.

Auch die Verkehrspolitik gehört in diese Reihe. Pirna und sein Umfeld sind ländlich geprägt. Daran gibt es keinen Zweifel.
Viele Menschen sind auf ihr Auto angewiesen, um zum Einkaufen oder auf Arbeit zu fahren, die Kinder zur Schule zu bringen.

Die zwangsverordnete Berlin-Brüsseler Mobilitätswende
hin zur Batterie auf vier Rädern raubt diesen Menschen die Freiheit.
Die Bewegungsfreiheit um genau zu sein. Oder hat jemand in Neundorf, Bonnewitz, Liebethal schon flächendeckend Ladesäulen entdeckt?

Was uns auf direktem Weg zum Verkehrsentwicklungsplan 2030 bringt.
Der steckt voller unbezahlbarer Träumereien von der radfreundlichen, autofreien Stadt der Zukunft – als ob unsere Häuser voll von Menschen wären, die nichts lieber täten als sich allmorgendlich bei jedem Schietwetter in den Sattel des geförderten Lastenrads zu schwingen,
um auf dem Radschnellweg gen Arbeitsstätte in Dresden zu eilen.
Absurd!

Noch ein Beispiel von „hinter dem Tellerrand“:
Hat sich irgendjemand in diesem Rathaus schon einmal darüber Gedanken gemacht, was es für Pirna und seine überwiegend älteren Bestandsbauten bedeutet, wenn sich die irre Idee zur Zwangssanierung auf Effizienzklasse D aus Brüssel durchsetzt?

Wir wollen das jetzt genau wissen und haben dazu eine Fraktionsanfrage eingereicht.

Vorweg mit Blick aufs Rathaus:
Das kommt davon, wenn man mit teuren Klimaschutzmanagern
irgendwelchen Energy-Awards nachjagt, sich mit der Plakette am Rathaus an der Spitze des Fortschritts wähnt und plötzlich von hinten überrannt wird, weil bestimmten Kreisen die Klimaschutzmühlen niemals schnell genug mahlen können.

Es geht um Themen, wie die regierungsamtliche Corona-Stilllegung des Landes, eine Energiepolitik, deren Ideologen ernsthaft glauben,
ein Industrieland ließe sich allein mit Wind und Sonne betreiben
– derweil verschwinden große Unternehmen, scheibchenweise ins Ausland, traditionsreiche Mittelständler gehen einfach geräuschlos unter während der IPO-Zweckverband verzweifelt versucht, da offenbar bisher weitgehend erfolglos, eine potenziell riesige Gewerbefläche zu füllen.

Versuche, die uns derzeit jährlich knapp 700 T€ Zuweisungen kosten, Tendenz steigend, und das Projekt in naher Zukunft zu einem Fass ohne Boden mutieren lassen könnten.

Der IPO ist eine Ansiedlung, welche Pirna für seine Steuerkraft
und städtische Entwicklung tatsächlich dringend bräuchte.

Je unattraktiver aber Deutschland als Standort für Industrie und Ziel für wirkliche Fachleute jedoch insgesamt wird, desto unwahrscheinlicher wird auch, dass dieser Traum nicht im finanziellen Desaster endet.

Wir Feilschen um jede Minute Leuchtzeit unserer Straßenlampen,
um die Zahl der Papierkörbe, wir kämpfen um jede Blume, die Pirna farbenfroher macht, wir schachern um jeden Cent Parkgebühren,
schrauben an der Hundesteuer, sparen an der Straßenreinigung,
nehmen ungepflegte Parkanlagen in Kauf, schalten unsere Wasserspiele und Brunnen immer später im Jahr an.

Wir suchen sprichwörtlich das Schwarze unter den Fingernägeln
– und dennoch segeln wir immer dichter an der Pleite entlang,
können kaum noch Straßen instand halten, Brücken sanieren, längst versprochene Schulen und Turnhallen bauen, Feuerwehrgerätehäuser fehlen.
Ohne Fördermittel, ohne Preisgelder aus irgendwelchen Städte-Wettbewerben geht praktisch gar nichts mehr von Belang in unserer Stadt.

Damit wenigstens etwas geht, werden wir diesem Haushalt zustimmen und nicht blockieren, obwohl es dafür gute Gründe gäbe.

Deutschland, auch Sachsen eilt von einem Steuereinnahmenrekord zum nächsten. Und dennoch sind wir hier gezwungen, von allen Seiten an einem finanziellen Tuch zu zerren, das trotzdem hinten und vorne nicht reicht. An vielen Stellen werden wir nackt bleiben, da können wir uns noch so sehr strecken.

Vielleicht ist es an der Zeit, über eine gerechtere Verteilung deutscheuer Steuereinnahmen zu reden.
Und offensichtlich bin ich meiner Meinung nicht alleine, wie heute in den DNN zu lesen war!
Mit der gerechteren Verteilung meine ich nicht, demnächst einen weiteren 100-Millionen-Euro-Koffer im brasilianischen Regenwald stehen zu lassen wie jüngst der vergessliche Olaf aus dem Kanzleramt.
Sein Vize lieferte gerade eine kuriose Begründung nach:
„Die Europäer hätten vor 1.000 Jahren ihren Wald zerstört.“
Deshalb müsse man jetzt eben auf den in Südamerika achten.

Worauf wir zu achten haben, ist aber unser Land, unser Kreis,
vor allem unsere Stadt!
Und deshalb wäre es schön, wenn zukünftig auch mal so ein Koffer,
gespeist aus den Rekordeinnahmen, hier landen würde und nicht immer wieder in aller Welt. Stichwort „Granaten für die Ukraine“.

Was aber liefert unser Freistaat?
Die dortige Regierung, der Legende nach immer noch CDU-geführt, setzt die Steuerschätzungen jedes Jahr bewusst niedrig an, um dann am Jahresende erstaunliche Überschüsse dank sprudelnder Steuereinnahmen auszuweisen! Allein 2022 etwa 2,6 Milliarden Euro Überschuss!

Was macht die Landesregierung damit?
Sie lässt es sehenden Auges zu, dass sämtliche Landkreise
gesetzeswidrige Haushalte mit Rekordfehlbeträgen aufstellen,
an der Spitze der Landkreis Görlitz mit einem Defizit von 40 Millionen,
unser Landkreis mit „nur“ 14 Millionen Euro Miesen im Jahr.
Einfacher Grund: Landrat Geisler bildet schlicht bestehende Haushaltsrisiken nicht vollständig ab.

Es wird ein kommunales Vorsorgevermögen gebunkert,
obwohl Landkreise und Kommunen finanziell ausbluten.
Der Freistaat weigert sich, zusätzliche Steuereinnahmen schnell
der kommunalen Ebene für die Aufgabenbewältigung zuzuweisen.
Unser Landkreis, mit einem Rekordfehlbetrag, müsste eigentlich längst die Kreisumlage erhöhen. Mit dem Resultat, dass dieses Geld dann wieder hier fehlt.

Und auch deshalb gilt:
So kann und darf es nicht weitergehen!
Ja, wir werden einen Haushalt beschließen.
Aber es ist Zeit, ein paar vernehmbare Signale über den städtischen Tellerrand hinaus zu senden und erfolgreich auf Veränderungen zu drängen.
Zur Aufgabenkritik:
Fördermittel kommen im Expresstempo, geht es um einen „Bügerrat“ für die Gestaltung des Marktplatzes. Vorerst läppische 72 T€, sofern gewünscht, gibt es Nachschlag. Da sitzt das Geld offenbar locker.
Unsere kommunale Demokratie funktioniert auch ohne gewürfelte Bürgerräte oder wie die „Letzte Generation“ sie aufgeblasen nennt: „Gesellschaftsräte“. Unsere Gesellschaft, auch die städtische, wird durch den Stadtrat vollumfänglich abgebildet. Jeder hat die Möglichkeit, sich hier zur Wahl zu stellen, sich zu beteiligen, mitzuwirken, Ideen und Vorschläge einzubringen.
Ein ganz praktischer Vorschlag
(auch für einen sinnvollen Einsatz der 72 T€) wäre da zum Beispiel: Funktionierende, vor allem dann auch dauerhaft saubere Toiletten
am Friedenspark zu haben, welche Besucher und Bürger gleichermaßen erfreuen würden. Von der Sauberkeit des Platzes und Installierung zweier Papierkörbe ganz zu schweigen. Dem stehe Straßenreinigungssatzung im Wege, wie wir lesen durften. Sprich, das geht Euch nichts an. Motto, für den Dreck ist die Verwaltung zuständig, nicht der Stadtrat.
In der sächsischen Geschichte gab es jemanden, der sagte:
„Dann macht doch Euren Dreck allein!“
Das werden wir so nicht handhaben, denn wir stehen zu unserer Verantwortung als gewählte Stadträte, Pirna und deren Bürgern gegenüber.

Zur Problematik der Gymnasien:
Auf Seite 404 des Haushaltentwurfes wird uns nochmals die Brisanz der Aufwendungen für die Gymnasien in unserer Stadt vor Augen geführt. Ohne Zweifel sind Bildung und Ausbildung Pflichtaufgaben.
Die Finanzierung sollte dann aber auch analog erfolgen.

Für den Betrieb der Gymnasien in kommunaler Trägerschaft
erhält die Stadt vom Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge
seit einer Anpassung im letzten Jahr 765 TEUR, nachdem eine Gleichbehandlung im Landkreis eingefordert wurde.
Es muss aber explizit darauf hingewiesen werden, dass diese Zahlung durch die übergeordneten Genehmigungsbehörden als freiwillige Leistung des Landkreises gegenüber den Kommunen gewertet wird, die bei Haushaltsproblemen des Landkreises jederzeit auf der Kippe steht.
Auf die Haushaltrisiken in SOE habe ich ausdrücklich hingewiesen.
Was, wenn der Landkreis seine „freiwillige Finanzierung“ von knapp 800 T€ zurückzieht?

Keine Zustimmung bei Park and Ride!
Parken hinter dem Nadelöhr eines Eisenbahnviaduktes in Richtung Bootshaus! Lösungsmöglichkeit soll eine Ampelanlage sein, der Rückstau in Richtung! Das ist Unfug!

Bauhof
2011 wurde das Grundstück des ehemaligen Kraftverkehrs gekauft,
auch als Standort für einen attraktiven Bauhof mit Synergie für Pirna und unsere Holding!
Dass wir aber heute, zwölf Jahre nach dem Kauf des Grundstückes, erfahren, dass die Sanierung des Bauhofes am alten Standort
eine Option wäre, welche momentan ca. 28 T€ kosten würde, gleicht einem Stück aus dem Tollhaus!

Homeoffice und dann leerstehende, kostenintensive Büro!
Ein Widerspruch, JA oder NEIN? Für uns Ja!

Generell sollte gelten, kurze Wege, schnelle Entscheidungen! Allemal besser als Lange Leitungen!
Wobei wir beim Thema Telefonanlage wären!
Aber lassen wir das leidige Thema der Erreichbarkeit der Verwaltung lieber! Zumindest vorerst, denn wir werden uns mit diesem Zustand nicht zufriedengeben. Fest steht, Bürgernah geht anders!

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